30‏/07‏/2009

Geduldet seit sieben Jahren

Syrische Familie hat Angst vor Abschiebung

Herne, 28.07.2009, Ute Eickenbusch
Die jüngste der vier Schwestern sagt es als erste: „Das ist wie ein Todesurteil.” Später fallen Sätze wie „Lieber ins Grab”. Nach sieben Jahren Deutschland zurückzukehren nach Syrien - unvorstellbar. In ihrem Umfeld erleben die Schwestern in diesen Tagen viel Unterstützung.

Familie Dalaf, die aus Syrien stammt und seit sieben Jahren in Herne lebt, fürchtet eine Abschiebung. Foto: Ute Gabriel (WAZ)
Familie Dalaf, die aus Syrien stammt und seit sieben Jahren in Herne lebt, fürchtet eine Abschiebung. Foto: Ute Gabriel

Syrien: ein Land, das Kurden und Yeziden wie ihnen, die einer vorchristlichen Minderheitenreligion angehören, weder politisch noch religiös eine Heimat sein will. Und doch steht eine Rückkehr im Raum. Vor einer Woche, am 21. Juli, hat die Herner Ausländerbehörde die in Baukau lebende Familie Dalaf aufgefordert, innerhalb von vier Wochen das Land zu verlassen. Jetzt ziehen Fußballverein und Mitschüler der jüngsten Tochter Sozdar, Susi genannt, alle Register, um doch noch ein Bleiberecht zu erwirken.

„Susi ist eine tolle Fußballspielerin”, sagt Silke Masannek, deren Tochter mit Sozdar (14) zur Realschule geht und mit ihr bei der DJK Blau-Weiß Herne-Baukau 06/16 in der „U 15” spielt. Susi, Kapitän der Mädchenmannschaft, sei „vom Sozialverhalten absolut Klasse und sie spricht super Deutsch.” Übersetzen lässt sich das mit „integriert”, ein Attribut, das auch auf die älteren Schwestern zutrifft. Rokan (16) wechselt im August zum Pestalozzi-Gymnasium, Gracia (19) hat 2008 die Realschule beendet, die Älteste, Rosel (21), hat einen Ausbildungsvertrag zur Krankenpflegerin in Gelsenkirchen unterschrieben. Dort kann sie im Oktober anfangen, sofern die Herner Ausländerbehörde ihr Aufenthalt und damit Arbeit erlaubt. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn die Caritas konnte die Härtefallkommission des Landtags von Rosels Fall überzeugen. Das weiß auch Hans-Günter Wertenbruch als Leiter des zuständigen Fachbereichs Bürgerdienste, das Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen.

An den Landtag hat sich auch der Fußballverein gewandt, außerdem an die Ausländerbehörde, SPD, CDU, Grüne und Linkspartei in Herne. Auch Sozdars Klasse in der Realschule Strünkede ist aktiv geworden. „Die Kinder kennen Susi zum Teil schon von der Grundschule”, berichtet die Klassenpflegschaftsvorsitzende der künftigen 8a, Sandra Kaimakamis. Am Sonntag seien sie herumgeradelt, um Unterschriften zu sammeln zu ihrem Schreiben ans Ausländeramt. „Traurig und wütend”, so heißt es in dem Brief, seien sie darüber, dass Susi („eine tolle Freundin”) in ein Land ausreisen solle, das ihr fremd sei. Auch Schulleiter Uwe Scholle liegt Susis Zukunft am Herzen. Aus menschlichen Gründen sowieso, aber auch ökonomisch, findet Scholle, kann eine Gesellschaft vor dem demografischen Hintergrund nicht auf gut ausgebildete junge Frauen wie die Schwestern verzichten.

Weiter aktiv ist auch Karl Großerohde vom Fachdienst Integration und Migration der Caritas. Er kennt die 2002 eingereiste Familie seit Jahren, bisher ein lebendes Beispiel für die von Flüchtlingsorganisationen abgelehnten „Kettenduldungen”. Die vielen Stempel auf ihren Papieren bestätigen das. „Die ständig unsichere Situation ist für die Familie sehr belastend”, sagt Großerohde. In Syrien hätte sie auf jeden Fall mit Diskriminierung zu rechnen. Großerohde ist im stetigen Gespräch mit der Herner Ausländerbehörde und bemüht sich zugleich beim Land um eine Härtefallregelung für die gesamte Familie. Wäre sie ein Jahr früher eingereist, hätte sie als „Altfall” zumindest eine Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht gehabt.

Für die Ausländerbehörde ist das Schicksal der Dalafs ein Fall, den es in Übereinstimmung mit geltendem Bundesrecht zu lösen gilt. Und das sieht, nach einem Abkommen zwischen Innenminister und Syrien, eine Rückführung von 7000 Syrern bundesweit vor. Die Familie wirke bei der Feststellung ihrer Identität nicht mit, sagt man, und sei nicht bereit, sich bei der syrischen Botschaft Pässe ausstellen zu lassen. Was die älteste Tochter bestreitet: „Wir waren mehrmals in Berlin, dort gibt man uns keine Pässe.” Fachbereichsleiter Wertenbruch gibt zugleich zu verstehen, dass „wir die Familie ganzheitlich betrachten”. Heißt: Solange Rosels Härtefallverfahren laufe – es gebe noch einen Schriftverkehr mit dem Innenministerium – werde nicht an Abschiebung gedacht und die Duldung verlängert. Im besten Fall, vorausgesetzt Rosel lege einen Pass vor, bekomme sie eine Aufenthaltszusage. Wird die Familie dann immer noch als Einheit betrachtet, könnte das auch den anderen nützen.

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